Version 1.0, 10.09.2013
Die NSA-Berichterstattung produziert mehrere Schlagworte als Antwort auf die Bedrohung, eins davon: Verwendet nach Möglichkeit Open-Source-Software!
Anders als früher scheint dies nun allgemein einsichtig zu sein und wird nicht mehr belächelt.
Natürlich nutzen schon die meisten Leute Open-Source-Software, aber letztlich geht es darum, die Leute von Windows (und MacOS usw.) wegzubekommen. Das dürfte um einiges schwieriger werden, als der Masse Verschlüsselung beizubringen, denn Verschlüsselung erfordert im Wesentlichen nur eine Ergänzung zu dem, was die Anwender sowieso schon haben. Mit Windows aufzuhören und mit Linux weiterzumachen ist dagegen ein radikaler Schnitt.
Natürlich ist die Idee, mehr Nutzer für OSS zu gewinnen, nicht neu. Die aktuelle Situation dazu:
Gute Gründe, auf Linux umzusteigen gab es schon lange vor den NSA-Enthüllungen.
Es gibt viel mehr Linux-Experten als Kryptografie-Experten.
Es gibt viel mehr normale Linux-Anwender als normale Kryptografie-Anwender.
Die OSS-Community versucht seit jeher – in sehr viel größerem Umfang als die Crypto-Community – zusätzliche Nutzer zu gewinnen.
Linux ist eine Marke (nicht rechtlich, sondern praktisch gemeint), OpenOffice, Firefox auch. Linux ist als Marke positiv besetzt, was das technische Niveau angeht, aber nicht, was den Bezug zu IT-Laien angeht – im Gegensatz zur Marke Cryptoparty
Der Umstieg auf Linux (oder OSS allgemein) spielt auf Cryptopartys bisher keine große Rolle.
Und trotzdem, obwohl die Situation so viel besser ist als bei der Verbreitung von Kryptografie, ist diese Aktivität bisher nicht besonders erfolgreich.
Kryptografie und Linux haben gemeinsam, dass man damit nicht nach ein, zwei Schulungsterminen sicher umgehen kann. Wenn man Leuten, die nicht zu allem entschlossen, aber grundsätzlich interessiert sind, eine sehr flache Lernkurve anbietet, sollte es gelingen, viel mehr Leute als bisher in die Linux-Spur zu bekommen. Dieser bequeme Lernansatz braucht zur Erfolgsmaximierung einen griffigen Namen:
die Open-Source-Sonntage
Alle Computernutzer werden animiert (nach Jahren wird daraus dann mal moralischer Druck), an einem Tag im Monat für ihre privaten IT-Aktivitäten möglichst nur Open-Source-Software einzusetzen. Dafür werden ihnen geeignete Hilfsangebote gemacht:
Anleitungen im Web
Schulungsvideos
Offline-Veranstaltungen (z.B. von Linux User Groups)
Vernetzung mit anderen Lernenden
Das langfristige Ziel ist, dass diejenigen auf Linux umsteigen und/oder sich einen zweiten (alten) Rechner zulegen, den sie für sichere Kommunikation einsetzen.
Es würde ein für Anfänger optimierter Themenkanon über die Termine eines längeren Zeitraums – sinnvollerweise wohl ein Jahr – erarbeitet. Jeder dieser Termine wird einem (ggf. auch einem alternativen) Thema gewidmet, so dass die Teilnehmer über Webseiten und Schulungsvideos zu dieser Reihe im Laufe eines Jahres mehr oder weniger alles Wichtige lernen, etwa:
Browser (Ermutigendes zum Anfang: keine große Umstellung); wie startet man Programme unter Linux?
Mailclients: Welche Mac- und Windows-Programme gibt es auch für Linux? Verwendung unterschiedlicher Programme.
Office-Software
Musik; Videos
Instant-Messenger
Bildbearbeitung
Plattenverschlüsselung
der Verzeichnisbaum
die Shell: auch für Anfänger nützlich
WINE
Virtualisierung
dauerhafter Parallelbetrieb von Linux und Windows
kein Druck
Da die Interessenten nicht dazu angehalten würden, schnell auf Linux zu wechseln, würden entsprechende Probleme (hoffentlich) nicht als so gravierend wahrgenommen.
Windows
Da die meisten Programme auch unter Windows zur Verfügung stehen,
wäre die Beschäftigung damit auch für diejenigen erkennbar nützlich, die nicht damit rechnen, in absehbarer Zeit umzusteigen
könnten sich an der Aktion sowohl Leute beteiligen, die schon eine Linux-Parallelinstallation haben, als auch diejenigen, denen nur Windows zur Verfügung steht
Natürlich ist das Ziel, dass die Leute ein zusätzliches Linux bekommen. Aber man wäre nicht gezwungen, diese Installation gleich zu Beginn zu machen, sondern könnte die schmerzfrei drei bis vier Monate hinauszögern (was es für diejenigen, die Hilfe bei der Installation anbieten, organisatorisch viel einfacher macht).
Lerntempo
Die Geschwindigkeit des Lernens (also der "gefühlte Aufwand") wäre niedrig; es wären an dieser Front kaum Ausfälle zu befürchten. Wer Schwierigkeiten hatte, einer Lektion zu folgen, hat viel Zeit, sie zu wiederholen. Außerdem kann man neben der empfohlenen Abfolge auch eine anbieten, die sich an Leute richtet, die nicht so schnell mit Computern sind, die viele der obigen Vorschläge nie brauchen werden. Für die könnte man sich auf drei oder vier Themen beschränken und die entsprechend langsamer, aber auch umfassender behandeln.
moralische Unterstützung aus dem Windows-Lager
Mit der Prämisse Nutzt so viel Open-Source-Software wie möglich!
können sich sicher auch viele Windows-Nutzer und sogar -Zeitschriften identifizieren. Dass die so viel wie möglich
-Grenze von unterschiedlichen Leuten unterschiedlich gezogen wird, ist erst mal kein großes Problem. Es wäre also nicht das alte, bekanntermaßen wenig erfolgreiche die Linuxer gegen den ganzen Rest
-Spiel, sondern auf einmal würden erhebliche Teile der IT-Community am selben Strang ziehen.
Marke
Natürlich gibt es schon lange Windows-Nutzer, die die Nutzung von OSS unter Windows propagieren. Das passiert aber bisher nicht unter einem einheitlichen Stichwort, so dass keine große propagandastische Wirkung entsteht. Was wäre die Cryptoparty-Bewegung ohne den Namen? Ohne diese (gewagte) Vereinheitlichung höchst unterschiedlicher Veranstaltungen wäre sie für die Medien kein großes Thema gewesen.
Auch wenn es viel mehr Gründe für OSS gibt als nur die NSA und Konsorten, kann die mediale Kraft dieses Themas genutzt werden, um dies als ergänzendes Thema bekannt zu machen. Alle, die heute schon (kleinere, regelmäßige) Aktionen zur OSS-Förderung betreiben, könnten mit minimalem Aufwand diese Marke nutzen, um ihren Aktionen zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.
Berichterstattung
Wie sich so ein Projekt entwickeln würde, kann man natürlich nicht sinnvoll prognostizieren, aber gerade wenn es in der Gegend entsprechende (v.a. nichtkommerzielle) Aktivitäten (einer Linux User Group o.Ä.) gibt, erscheint zumindest vorstellbar, dass die Lokalpresse dafür monatlich ein wenig Platz in ihrer Wochenendausgabe reserviert.
kommerzielle Unterstützung
Es ist vorstellbar, dass Unternehmen, die ihr Geld mit Open-Source verdienen, dem Projekt mit Werbung helfen, weil sie sich ein besseres Marktumfeld erhoffen, wenn mehr Leute mit OSS im allgemeinen oder Linux im Speziellen zu tun haben.
Um dieses Projekt anzuschieben, wäre im wesentlichen folgendes zu tun:
Unterstützer finden
Die mediale Relevanz dieses Projekts hängt daran, dass das mediale Gewicht der Cryptoparty-Bewegung auf sie abfärbt. Das funktioniert nur, solange Cryptopartys für die Presse noch ein Thema sind. Niemand weiß, wie lange das noch der Fall sein wird. Deshalb kann man dieses Projekt nicht langsam starten und dann irgendwann verkünden Wir haben da was
, sondern wird es als – wenn auch sehr konkrete – Ankündigung starten müssen. Wenn das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt wird, muss es mangels vorzeigbarer Aktionen in der Vergangenheit von Leuten und / oder Organisationen vorgestellt werden, die von den Medien ernst genommen werden. Das sollten sinnvollerweise Vertreter von beiden Seiten sein, also der Cryptoparty-Community und der OSS-Community.
Dafür in Frage kommen z.B. die FSFE und die Linux User Groups u.Ä. aus den größeren Städten. Insbesondere sollte man genügend Organisationen haben, die auf bereits bestehende Aktivitäten verweisen können, die sie unter diese Überschrift stellen werden.
Es dürfte relativ einfach sein, die kommerziellen Distributoren als Unterstützer zu gewinnen.
inhaltlichen Rahmen festlegen
Analog zu den Cryptopartys bräuchte man eine Erklärung, was alles von dieser Marke erfasst wird, wer sie für welche Aktivitäten nutzen darf. Das dürfte in diesem Fall allerdings einfacher sein (das Ergebnis kürzer), auch weil die OSS-Community die Kooperation mit Unternehmen gewohnt ist, also keinen Grund hat, dort eine harte Grenze zu ziehen. Außerdem wäre die offizielle Botschaft an die Zielgruppe festzulegen. Wie verkauft man das?
Natürlich wären Aktivitäten im Zusammenhang mit dieser Aktion nicht auf die jeweiligen Termine, nicht auf Sonntage beschränkt. Nichts spricht dagegen, donnerstags den nächsten Open-Source-Sonntag vorzubereiten, indem man Leute schult.
Logo
Irgendwie hübsch aussehen muss das Ganze schon.
Inhalte vorbereiten
Für die einzelnen Termine (Themen) müssen Schulungsmaterialien bereitgestellt werden. Das wird man wohl ausnahmslos nicht selber machen müssen, weil schon genug geeignetes Material verfügbar sein müsste.
Da die Aktion zeitlich sehr gestreckt ist, kann man sie starten, ohne vorab viel Aufwand zu treiben. Dafür sollte eine kleine Gruppe (weniger als zehn Leute) ausreichend sein.
Einmal im Jahr, wenn der Hauptzyklus endet und der nächste beginnt, hätte man einen guten Grund und (wohl abhängig vom Erfolg der Aktion) gute Aussichten, mit der Aktion in die Medien zu kommen, wenigstens die IT-Fachpresse.