Eine große Gruppe privater Linux-Nutzer würde das politische Klima verändern.
Version 0.9, 06.05.2017
Datenschutz (im Wirtschaftsleben), die Beschränkung des Staats beim Zugriff auf die Daten der Bürger, die sachgerechte Verwendung von Steuergeldern und der Schutz des freien Wettbewerbs sind Themen, die offiziell einen hohen Stellenwert in Deutschland haben.
In der Praxis muss man allerdings feststellen, dass es diesen Themen in drastischer Form an Durchsetzungsvermögen mangelt. Die Bürger werfen mit ihren Daten nur so um sich; sie haben sich über lange Zeit daran gewöhnt. Das Problembewusstsein ist minimal. Wenn die Bundesregierung mal wieder die Befugnisse der Strafverfolger ausweiten will, ist zunächst das Geschrei groß, aber solche Vorhaben werden zumeist nicht politisch gestoppt, sondern von den Verfassungsrichtern. Das Interesse der Bürger an Kryptografie – immerhin kostenlos nutzbar und mit allerlei positiven Nebeneffekten verbunden – ist in guter Näherung null. Eine laute, aber letztlich kleine Minderheit hat über mehrere Jahre große Demonstrationen organisiert und sogar eine – inzwischen implodierte – Partei hervorgebracht. Politisches Gewicht über den Moment hinaus haben diese Aktivitäten aber nicht entfaltet.
Der Grund für die Kraftlosigkeit dieser politischen Aktivisten mag – neben dem Fehlen einer finanzkräftigen Lobby – der Umstand sein, dass diese Themen von beinahe der Gesamtheit der Bürger in keiner Weise gelebt werden – im Gegenteil. Man macht immer das, was alle machen, was bequem erscheint. Vielleicht muss man die persönliche Bedeutung dieser Themen sogar begrenzen, um mit dem eigenen Verhalten klarzukommen, obwohl man schon bei oberflächlicher Beschäftigung mit der Thematik merken müsste, dass das eigene Verhalten nicht gerade zum Wohl der Gesellschaft beiträgt.
Der Umstieg auf Linux macht aus den Nutzern keine besseren Menschen, aber man darf davon ausgehen, dass Linux-Nutzer stärker für diese Thematiken sensibilisiert sind:
Dem durchschnittlichen Linux-Nutzer ist bewusst, dass Linux in puncto Datenschutz weit weniger bedenklich ist als Windows. Er würdigt diesen Umstand und hat bei der gesellschaftlichen Diskussion des Themas nicht schon wegen seines Betriebssystems einen inneren Konflikt. Dass der Linux-Community das Thema Datenschutz wichtig ist, dürfte im Laufe der Zeit ein bisschen auf den durchschnittlichen Nutzer abfärben.
Durch Open-Source, das generell größere Interesse an Sicherheit und die generelle Heterogenität der verwendeten Software (vom Kernel bis zum Anwendungsprogramm) ist Linux ein schwierigeres Ziel für (Lausch-)Angriffe. Es ist wesentlich schwieriger für Behörden, Einfluss auf Linux zu nehmen. Bei Linux wird standardmäßig Software für harte Kryptografie installiert (auch wenn sich das dem Benutzer nicht aufdrängt).
Der typische Linux-Nutzer weiß aus leidvoller Erfahrung, was es für die Unterstützung von Hardware und die Verfügbarkeit von Software bedeutet, dass die ganze Branche auf Windows fixiert ist. Aus unmittelbarer Praxis ist den Linuxern außerdem klar, dass man sich die Schweinereien von Microsoft nicht bieten lassen muss – eine Einsicht, die Voraussetzung dafür ist, irgendwie aktiv zu werden, wogegen die Windows-Nutzer sich ja daran gewöhnt haben, wirklich alle Kröten zu schlucken.
Dass (institutionellen) Nutzern großer finanzieller und organisatorischer Aufwand entsteht, nur weil ein Softwarehersteller entschieden hat, eine Software nicht weiter zu pflegen, löst in der Linux-Welt eher Kopfschütteln aus.
Wenn diejenigen, deren politische Arbeit durch die überwiegende praktische Gleichgültigkeit der Bundesbürger gegenüber ihren Themen erheblich behindert wird, sich der Einschätzung anschließen, dass ihre politische Ausgangslage sich wahrscheinlich erheblich verbesserte, wenn der Anteil privater Linux-Nutzer nicht mehr bei 2%, sondern bei 20% läge, dann sollten sie im Rahmen ihrer leichten Möglichkeiten dazu beitragen, dass der aussichtsreichste Ansatz für eine stärkere Verbreitung von Linux, der Linux Presentation Day, bekannter wird, es zweimal pro Jahr in die überregionalen Medien schafft.
Öffentliche und private Organisationen, die sich allein oder zum Großteil mit dem Thema Datenschutz befassen, könnten sich zusammentun und jeweils vor den LPD-Terminen eine gemeinsame Pressemitteilung herausgeben, in der sie die privaten Computernutzer dazu aufrufen, sich mit der Möglichkeit zu befassen, ganz oder teilweise auf freie Software umzusteigen, und auf den LPD hinweisen.
Leute, die innerhalb einer größeren Organisation (z.B. einer Partei) das Thema Bürgerrechte (bezogen auf IT und Kommunikation) als eins (und eher ein nachrangiges) von vielen Themen der Organisation vertreten, werden es wohl nicht schaffen, dass die Organisation öffentlich für Linux und den LPD eintritt, aber es mag ihnen möglich sein, über interne Kommunikationswege (Newsletter, Mitgliederzeitschrift) auf die Termine hinzuweisen.