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Kriterien für Kommunikationstechnik

Warum wir als gute Netzbürger alle XMPP nutzen müssen

Version 1.0, 15.02.2015

Seit Beginn der Snowden-Enthüllungen entstehen in beachtlicher Zahl Kommunikationssysteme, die sichere Verschlüsselung bieten sollen. Auch davor gab es Systeme mit hoher Verbreitung und zweifelhafter Sicherheit, allen voran Skype und WhatsApp. Die Frage, welches System man nutzt, ist nicht nur eine der persönlichen Befindlichkeit. Die Frage, welches System (oder welche Systeme) man unterstützen sollte, ist von großer gesellschaftlicher Bedeutung; leider ist das nur wenigen klar.

Bevor man bestehende Systeme vergleicht, muss man sich überlegen, was geeignete Kriterien zu ihrer Beurteilung sind. Aus gesellschaftspolitischer Perspektive gehören eine besonders angesagte Oberfläche und die Benutzerfreundlichkeit im allgemeinen natürlich nicht dazu; so etwas soll jeder für sich selber beurteilen.

Offenheit und Nachhaltigkeit

Die wesentlichen Kommunikationstechniken der letzten 20 Jahre sind E-Mail und das Telefon. Beide zeichnen sich durch eine immense Beständigkeit aus. Telefonnummern wurden zwar im Lauf der Zeit immer länger, aber niemand wurde gezwungen, seine kurze, alte Nummer herauszurücken. Solange man nicht in einen anderen Vorwahlbereich zog, hatte man die Gewissheit, durch das System Telefon keine Kontakte zu verlieren. Ähnlich bei E-Mail. Nicht wenige Leute haben seit Anbeginn ihrer Internet-Phase dieselbe Adresse. Solange man mit seinem Anbieter zufrieden ist, kann man seine Adresse – vielfach sogar kostenlos – "ewig" nutzen. Anders als beim Telefon kann man sogar (kostengünstig und einfach) eine Adresse bzw. sogar viele Adressen nutzen, die wirklich ewig gültig sind: Man kann sich eine eigene Domain zulegen und dadurch seinen Internet-Dienstleister wechseln, ohne dass sich für die eigenen Kontakte etwas ändert. Das wesentliche Ärgernis dabei: Da die deutschen Juristen insbesondere beim Thema Internet wenig Positives auf die Reihe kriegen, geht mit der Registrierung einer Domain völlig sinnlos (im Sinne von leicht vermeidbar) de facto die Pflicht einher, seine Identität als Domaininhaber samt Adresse offenzulegen.

Beide Systeme wurden vielfach erweitert, ohne dass die bisherigen Nutzer davon ausgeschlossen wurden. Dass man für Mobiltelefone ein neues Adressierungssystem eingeführt hätte und vom Mobilnetz oder dem neuen VoIP-Netz aus keine (alten) Festnetzanschlüsse erreicht hätte oder umgekehrt – undenkbar. Ebenso, dass die Einführung von Mailinglisten, Attachments, HTML-Mails oder Mailverschlüsselung die Nutzer der neuen Technik von denen der alten getrennt hätte. Deshalb hat heute jeder eine Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse.

Bei E-Mail war der Wettbewerb von Anfang an da. Beim Telefon haben die Deutschen erst nach langer Zeit überrascht festgestellt, was es bewirken kann, wenn man eine Dienstleistung nicht mehr monopolistisch vom Staat erbringen lässt. Die Möglichkeit eines effektiven Wettbewerbs wird durch eine umfassende Regulierung sichergestellt. Es stand außer Frage, dass Kommunikation als gesellschaftlicher Wert einen höheren Rang hat als das wirtschaftliche Interesse eines Unternehmens. Deshalb "gehören" einem Unternehmen seine Kunden nicht. Egal, wo der Kunde seinen Vertrag unterschreibt, egal, wer die Kabel verbuddelt hat: Jeder kann jeden anrufen, wenn auch nicht zu denselben Kosten.

Quasi-Monopole und Insellösungen

In der IT-Welt, insbesondere seit der Massenverbreitung des Internet, kommen Innovationen von weltweiter Bedeutung in einer Häufigkeit und mit einer Geschwindigkeit, die zuvor unvorstellbar war. Es ist durchaus möglich, dass ein Unternehmen (sogar ein kleines) in kurzer Zeit seinen Dienst oder sein Produkt derart populär macht, dass ein Großteil der Internetnutzer zu den Nutzern zählt. Auch wenn der Nutzen des Produkts hoch und sein Preis niedrig sein kann, ist der Einfluss, der dem Unternehmen dadurch zuwächst, fatal. Das legendäre erste Beispiel des IT-Massenmarks dafür ist Microsoft. Diese Firma war nicht etwa zufrieden mit ihrem Marktanteil und ihren monströsen Einkünften; nein, sie hat sich derart auf das Gängeln der Wettbewerber verlegt, dass sie dafür inzwischen mehr als eine Milliarde(!) US-Dollar an Bußgeldern gezahlt hat. Auch Compuserve und AOL hatten kein großes Interesse daran, ihren Nutzern Zugriff auf das Internet und Kontakt zu den Kunden anderer Anbieter zu ermöglichen. Aus heutiger Sicht lächerlich – trotzdem passiert dasselbe immer wieder.

WhatsApp hat sich nicht deshalb durchgesetzt, weil es ein technisch hochwertiges Produkt gewesen wäre; es war bis vor kurzem ein datenschutztechnischer Alptraum (und ist es in Teilen heute noch). Das größte Problem an WhatsApp (in Kombination mit einer schlechten Kommunikationskultur der meisten Internetnutzer) ist, dass seine Marktbedeutung es vielen Nutzern ermöglicht, ausschließlich diesen Dienst zu nutzen. Da WhatsApp eine Insellösung ist – für ein Kommunikationssystem dieser Größenordnung generell unentschuldbar – werden dadurch andere Nutzer genötigt, wider besseres Wissen ebenfalls diesen Dienst zu nutzen. In der Gesellschaft müsste sich folgende Einsicht als Regel durchsetzen:

Man darf durch sein Konsumverhalten niemanden zur Nutzung abgeschlossener Systeme nötigen.

Das heißt insbesondere nicht, dass man etwas Neues wie WhatsApp nicht nutzen soll. Es heißt aber, dass man nicht nur über ein untaugliches System erreichbar sein darf. Solange man gleichzeitig vollwertig über ein offenes System erreichbar ist, soll man versuchen mit dem hippen Internetdienst der Woche glücklich zu werden. Man leistet damit sogar einen wichtigen Beitrag an der anderen Front: Je weniger die Nutzer auf den neuen Dienst (oder den neuen Zugang zu einem bestehenden Dienst) festgenagelt sind, desto besser muss der Anbieter seine Kunden behandeln. Das ist nicht allein eine technische Kategorie. Die Freunde von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Änderung im Laufe der Zeit (Gruß an Facebook) wissen ein Lied davon zu singen.

Es kann auch in niemands Interesse sein, sich alternativlos an einen Dienst zu hängen, von dem niemand weiß, wie lange es ihn (mit dieser Bedeutung) geben wird. Am Internethimmel ist schon so mancher Stern verglüht, bei dem man sich das nicht vorstellen konnte: AOL, Netscape, ICQ, MySpace, StudiVZ, ...

Diese Fragen stellen sich überhaupt nur deshalb, weil an den proprietären Diensten jeweils irgendwas besser ist. Das kann man neidlos anerkennen; der entscheidende Punkt ist aber, dass Verbesserungen – sowohl bezüglich der Bedienung als auch der technischen Möglichkeiten – lieber an dem offenen System vorgenommen werden sollten. Auch wenn das länger dauert, steht man am Ende besser da.

Was ist also zu tun? – XMPP nutzen

Jeder ernstzunehmende Internetnutzer hat dafür zu sorgen, dass er (auch) über XMPP erreichbar ist. Wie bei E-Mail stellt sich auch hier die Frage, ob man das über eine Adresse macht, die einem Anbieter gehört (ich@firma.tld), oder eine, die einem selber gehört (ich-privat@meine-domain.tld & ich-geschaeftlich@meine-domain.tld).

Wenn mehr Leute anfangen XMPP zu nutzen, werden sich auch mehr Leute / Unternehmen darum kümmern, die Technik und die Software zu verbessern.

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